TDR (Time-Domain-Reflectometrie) ist ein
Reflexions-Messverfahren, das besonders gut auf die Probleme der
Impulstechnik zugeschnitten ist. Es eignet sich zur breitbandigen
Untersuchung von Leitungen, Leitungsabschlüssen und
-übergängen, Komponenten und Netzwerken.
Bei Schmalbandanwendungen wird meistens das
FDR-Verfahren (Frequency-Domain-Reflectometrie) bevorzugt. Das
Testsignal ist hier eine Sinusspannung mit variabler Frequenz. Ein
geeignetes Messgerät ermittelt z.B. das
Stehwellenverhältnis oder den Reflexionsfaktor nach Betrag und
Phase in Abhängigkeit von der Frequenz des eingespeisten
Testsignals. Resonanzfrequenzen lassen sich mit diesem Verfahren
besonders genau und schnell bestimmen.
Bei Digitalsignalen mit hohen Bitraten, z.B. in
der Nachrichtenübertragungstechnik, ist die breitbandige
Anpassung von Komponenten und Leitungen wichtig, d.h. im gesamten
Frequenzbereich von DC bis eventuell mehreren Gigahertz dürfen
keine störenden Reflexionen auftreten.
Die TDR-Messung stellt eine einfache und schnelle Möglichkeit
für breitbandige Untersuchungen dar, denn zur Messung werden
schnelle Impulse verwendet, die den tatsächlichen Betrieb genau
simulieren.
Zum Messaufbau und Verfahren:
Ein Impuls mit möglichst kurzer
Anstiegszeit wird in das Messobjekt, z.B. eine Leitung mit
unbekanntem Wellenwiderstand oder mit Fehlanpassung am Leitungsende
eingespeist. Die Impulsdauer kann beliebig lang sein, sie sollte
länger als das betrachtete Zeitfenster sein, damit
mögliche Reflexionen nicht zeitgleich mit der Rückflanke
des Impulses eintreffen. Für das betrachtete Zeitenster stellt
der Messimpuls damit praktisch eine Sprungfunktion dar. Ein
Oszillograph zur Auswertung der Messsignale wird zusätzlich
zwischen dem Ausgang des Impulsgenerators und dem Eingang des
Messobjekts angeschlossen. Nach der doppelten Signallaufzeit trifft
bei einer Fehlanpassung am Leitungsende die reflektierte Welle
wieder am Leitungsanfang ein und kann bzgl. Form und Amplitude
ausgewertet werden. Setzt man die reflektierte Welle in Bezug zum
eingespeisten Signal, lässt sich ein zeitabhängiger
Reflexionsfaktor bestimmen, der alle Informationen über Betrag
und Phase der Reflexion enthält.
In der Ersatzschaltung Bild 1 ist gezeigt, wo
die Messspannung abgegriffen und das Messobjekt angeschlossen wird.
Bild 1: Ersatzschaltung zur TDR Messung
Zum Anschluss eines
Oszillographen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
- Hochohmiger Labor-Oszillograph
Grundsätzlich möglich, ein hochohmiger Oszillograph
scheidet aber meistens aus, da die Bandbreite nicht ausreicht.
- Oszillograph mit 50 Ohm Eingang
Ein Analog- oder Digital-Oszillograph mit 50 Ohm Eingang kann
über ein angepasstes T-Glied an die zu untersuchende Leitung
geschaltet werden. Die Auswertung wird jedoch erschwert, weil das
T-Glied die reflektierte Welle um den Faktor 2 (6 dB)
abschwächt.
- Sampling-Oszillograph
Bei einem Sampling-Oszillographen mit Durchgangs-Eingang kann das
Messsignal ungedämpft durchgeschleift werden.
- Spezial Koppler
Ein spezieller Koppler, der die rücklaufende Welle nicht
beeinflusst, ermöglicht den Anschluss eines beliebigen 50 Ohm
Oszillographen.
Der Impulsgenerator muss ebenso wie der
Oszillograph gut an den Systemwellenwiderstand von 50 Ohm angepasst
sein, da sonst Mehrfachreflexionen auftreten.
Im Bild 2 ist der TDR Messaufbau mit dem
Sampling-Analyzer SAD 3000 dargestellt, bei dem als Koppler ein
Spezial-T verwendet wird. Der Impulsgenerator ist im SAD 3000
eingebaut.
Bild 2: TDR Messaufbau mit Sampling-Analyzer SAD3000
Bild 3 zeigt einige Beispiele zu
Extremfällen von Leitungsabschlüssen mit der
entsprechenden Spannung UM zur Veranschaulichung des
Verfahrens.
Es wird immer nur die Vorderflanke des
Messimpulses betrachtet und als Sprungfunktion angesehen. Der bei
allen Beispielen gleich aussehende erste Teil von UM ist
die hinlaufende Welle. Dazu addiert sich nach der Zeit T die
reflektierte Welle. T ist die doppelte Laufzeit der untersuchten
Leitung einschließlich des kurzen Leitungsstücks im
Koppler.
a) Am Ende leerlaufende Leitung
b) Am Ende kurzgeschlossene Leitung
c) Induktiver Abschluss
d) Kapazitiver Abschluss
e) Falscher Abschluss oder Leitungübergang
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Bild 3: Idealisierte Beispiele zur TDR-Messung
Zu a): Die am Ende leerlaufende Leitung
(Reflexionsfaktor r = +1) erzeugt eine reflektierte Welle mit
derselben Amplitude wie die hinlaufende Welle. Also stellt sich nach
der Zeit T die doppelte Amplitude wie am Anfang ein.
Zu b): Der Kurzschluss am Leitungsende (r = -1)
erzeugt eine reflektierte Welle mit der Amplitude - Uo/2,
die zu einer resultierenden Spannung Null nach der Zeit T
führt.
Zu c): Bei sauberer Anpassung würde sich
keine Reflexion ergeben, wenn R = ZL ist. Die
Induktivitäten in Serie mit R wirken bei dieser idealisierten
Betrachtung für die steile Impulsflanke wie ein großer
Widerstand. Deshalb ist der Reflexionsfaktor zunächst +1 und
nach exponentiellem übergang stellt sich der angepasste Zustand
r = 0 ein.
Zu d): Ein Kondensator parallel zu R wirkt
zunächst wie ein Kurzschluss mit r = -1.
Zu e): Ein Leitungsabschluss mit R > ZL
führt zu einer Reflexion mit 0 < r < +1. Ein Übergang
auf eine zweite Leitung mit einem Wellenwiderstand ZL2
> ZL1 hat dieselbe Wirkung. Die reflektierte Welle hat
die Amplitude r*Uo/2.
Diese Beispiele mit einer idealen
Sprungfunktion und idealen Bauelementen sind in der Praxis nur
angenähert nachzuvollziehen. Die endliche Anstiegszeit des
Messimpulses begrenzt die Systembandbreite und lässt nur eine
Auflösung im Bereich von 1 bis 10 mm Leitungslänge zu.
Für Demonstrationszwecke sollte man deshalb genügend
große Reaktanzen und Leitungslängen wählen. Die
Beispiele wurden ausgewählt, weil sie sich einfach nachmessen
lassen und so die Möglichkeit bieten, das TDR Verfahren
kennenzulernen. Einige Ergebnisse der aufgeführten Beispiele
lassen sich auch mit anderen Methoden ermitteln. In vielen
praktischen Fällen ist die Anschaulichkeit des Verfahrens
jedoch ein unschätzbarer Vorteil. Man denke nur an eine
Stripline mit gestuften Wellenwiderständen oder an eine
längere Busleitung mit vielen verteilten
Treiberanschlüssen, deren zeitliches Reflexionsverhalten mit
anderen Methoden kaum messbar ist.
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